Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) zu einem massiven Einbruch geführt. Die Auftragseingänge sanken im zweiten Quartal 2020 gegenüber der Vorjahresperiode um -19,5 Prozent, die Umsätze um -19,7 Prozent und die Exporte um -24,6 Prozent. Insgesamt präsentiert sich die Lage der Schweizer MEM-Industrie zu Jahresmitte düster.
Die einzelnen Firmen sind je nach Marktsegment allerdings sehr unterschiedlich betroffen. Der kurzfristige Ausblick lässt wenig Optimismus zu. Swissmem befürchtet, dass es in den nächsten zwölf Monaten zu einem deutlichen Stellenabbau kommen wird. Für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise ist es mitentscheidend, dass die Schweiz handelspolitisch offen und vernetzt bleibt. Der Schweizer Heimmarkt ist viel zu klein, um allen MEM-Unternehmen in der Schweiz eine Zukunft zu sichern. Zudem gilt es, mit neuen Freihandelsabkommen zusätzliche Marktchancen zu schaffen. Deshalb müssen die Verträge mit Indonesien sowie dem Mercosur vom Parlament und falls nötig vom Volk angenommen werden.
Die im Zuge der Corona-Pandemie verordneten, fast weltweiten Lockdowns beeinträchtigen die Schweizer MEM-Industrie massiv. Im zweiten Quartal 2020 sanken die Auftragseingänge gegenüber der Vorjahresperiode im Durchschnitt um -19,5 Prozent. Über das gesamte erste Halbjahr 2020 gesehen nahmen die Bestellungseingänge um -10,2 Prozent ab. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Umsätzen. Diese brachen im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal um -19,7 Prozent ein. Im gesamten ersten Halbjahr reduzierten sie sich um -12,9 Prozent. Grossfirmem und KMU erfuhren im Durchschnitt denselben Einbruch. Die einzelnen Firmen sind allerdings je nach Marktsegment sehr unterschiedlich betroffen.
Die negative Entwicklung wirkt sich auch auf die Kapazitätsauslastung in den Betrieben aus. Diese betrug im zweiten Quartal 2020 80,9 Prozent, was deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 86,4 Prozent lag. Gemäss der jüngsten KOF-Umfrage erreichte sie im Juli noch 77 Prozent. Damit ist die Kapazitätsauslastung auf das Niveau der Finanzkrise von 2009 abgesunken.
Im zweiten Quartal 2020 arbeiteten 319’600 Personen in der MEM-Branche. Das sind 3’200 weniger als im ersten Quartal. Der Grund für diesen Rückgang liegt jedoch eher darin, dass die Lage in den MEM-Firmen bereits vor dem Lockdown angespannt war und diese Stellen abzubauen begannen. Die Auswirkungen der Pandemie werden in den kommenden Monaten zweifellos weitere Konsequenzen auf die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der MEM-Branche haben.
Die Güterausfuhren der MEM-Industrie erreichten im ersten Halbjahr 2020 einen Wert von 28,9 Milliarden Franken. Dieser Wert liegt um -16,4 Prozent tiefer als im Vorjahressemester. Allein im zweiten Quartal reduzierten sich die Exporte im Vergleich zum Vorjahresquartal um -24,6 Prozent. Regional betrachtet sanken die Ausfuhren in die EU im ersten Halbjahr um -18,5 Prozent, in die USA um -15,4 Prozent und nach Asien um -10,6 Prozent. Alle Warengruppen waren vom Rückgang betroffen, jedoch in unterschiedlichem Ausmass. Die Exporte im Maschinenbau sanken um -17,0 Prozent (allein bei den Werkzeugmaschinen sogar um -34.2 Prozent), bei den Metallen um -16,4 Prozent, bei den Präzisionsinstrumenten um -13,7 Prozent und in der Elektrotechnik / Elektronik um -11,9 Prozent.
Stabilisierung auf tiefem Niveau
Schon vor der Corona-Pandemie war die Situation in der MEM-Industrie angespannt. Die Folgen des Lockdowns haben den negativen Trend massiv verstärkt. Seit der Trendumkehr im Jahr 2018 haben sich Auftragseingänge in der MEM-Industrie nun bereits in acht aufeinander folgenden Quartalen negativ entwickelt. Wie dramatisch der gesamte Einbruch ausfällt, zeigt der Indexstand bei den Auftragseingängen: Seit Mitte 2018 hat die Branche 35,1 Prozent des Auftragsvolumens verloren. Bei den Auslandsaufträgen, welche derzeit 75 Prozent des Gesamtbestandes ausmachen, liegt das Volumen aktuell sogar um 42,6 Prozent tiefer als Mitte 2018. Erschwerend kommt hinzu, dass der Euro gegenüber dem Schweizer Franken nach wie vor deutlich unterbewertet ist. Neu ist auch der US-Dollar in den letzten drei Monaten gegenüber dem Franken eingebrochen. Beides drückt stark auf die Margen der Unternehmen.
Der kurzfristige Ausblick lässt wenig Optimismus zu und ist von grossen Unsicherheiten geprägt. Der Anteil der MEM-Unternehmerinnen und Unternehmer, die in den kommenden zwölf Monaten mit steigenden Aufträgen aus dem Ausland rechnen, hat zwar von 10 Prozent im ersten Quartal auf jüngst 22 Prozent zugenommen. Dem gegenüber befürchten noch immer 51 Prozent der Unternehmer eine weitere Verschlechterung der Auftragslage (Q1/2020: 70%).
Ein gewisser Lichtblick bietet der Einkaufsmanagerindex (PMI). Dieser hat sich in der Industrie weltweit etwas erholt. Nach dem dramatischen Einbruch im Frühling bedeuten die aktuellen PMI-Werte primär eine Stabilisierung auf tiefem Niveau und versprechen noch keine grosse Wachstumsdynamik. Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem, ist sehr besorgt: “Die Lage in der Schweizer MEM-Industrie präsentiert sich düster und in vielen Absatzmärkten herrscht grosse Unsicherheit. Mit einer schrittweisen Erholung ist für die meisten Firmen erst im Laufe des nächsten Jahres zu rechnen. Die Art der Erholung dürfte sich je nach Ausgangslage, Absatzmärkten und -segmenten sehr unterschiedlich gestalten. Die Betriebe sind somit gezwungen, ihre Kostenbasis den neuen Realitäten anzupassen. Entsprechend befürchten wir in den nächsten zwölf Monaten einen deutlichen Stellenabbau.”
Im Zuge der Corona-Pandemie kommt der Belastbarkeit von Lieferketten eine zusätzliche Bedeutung zu. Die Industrieunternehmen überprüfen diese zurzeit weltweit. Hier hat die Schweizer MEM-Industrie einen wichtigen Trumpf in der Hand. Sie hat bewiesen, dass sie die Corona-Schutzkonzepte konsequent anwenden kann. Dieses Wissen muss bei steigenden Fallzahlen in die Diskussion um Gegenmassnahmen mit einbezogen werden. Brupbacher meint dazu: “Ein klares Bekenntnis von Bund und Kantonen, dass hier tätige Industriebetriebe auch bei einer erneuten Verschärfung der Corona-Pandemie weiterproduzieren können, wird international gehört. Das stärkt unsere Betriebe sowie den Standort Schweiz in der laufenden Überprüfung der internationalen Lieferketten.”
Offenheit und neue Freihandelsabkommen als Rezept
Die Schweizer MEM-Firmen haben in den letzten Jahren mehrere Krisen gemeistert. Damit dies erneut gelingt, müssen u.a. die handelspolitischen Weichen richtig gestellt werden. Die derzeit häufig geäusserten Forderungen nach Reshoring der ins Ausland verlagerten Produktion sowie nach Bevorzugung inländischer Produkte wären für die exportorientierte Schweizer Industrie und diverse weitere Branchen der falsche Weg. Der Schweizer Heimmarkt ist viel zu klein, um den MEM-Firmen mit ihren über 320’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitenden eine Zukunft und ein Einkommen zu sichern. Hans Hess, Präsident Swissmem, ist überzeugt: “Der einzige Weg, um Wohlstand und Arbeitsplätze in der Schweiz zu sichern, ist ein nachhaltiger Erfolg auf den Weltmärkten. Die Schweiz muss deshalb offen und global vernetzt bleiben”.
Mit Freihandelsabkommen (FHA) können für die MEM-Industrie zusätzliche Marktchancen geschaffen werden. Eine von Swissmem bei BAK Economics in Auftrag gegebene Studie über alle durch die Schweiz abgeschlossenen FHA kommt zum Schluss, dass vier Jahre nach Inkrafttreten der FHA die MEM-Exporte kumuliert 19 Prozent höher ausfallen als ohne Abkommen. Dies belegt, dass FHA substanziell dazu beitragen, in der MEM-Industrie Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen.
Mit Indonesien und dem Mercosur liegen zwei fertig ausgehandelte FHA auf dem Tisch. Offen sind zudem die Verhandlungen mit Indien und anderen südostasiatischen Staaten. Hier braucht es einen Sondereffort, damit ein Abschluss baldmöglichst in Reichweite kommt. Im Weiteren sollte alles dafür getan werden, damit Verhandlungen mit den USA aufgenommen werden können. Leider ist gegen das Abkommen mit Indonesien das Referendum zustande gekommen. Ein solches gegen das FHA mit dem Mercosur wurde ebenfalls angekündigt. Swissmem wird sich im Abstimmungskampf vehement für diese Abkommen engagieren.
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